
Der letzte Pfiff auf dem Eis bedeutet für viele Eishockeyprofis nicht das Ende – sondern einen neuen Anfang. Der Schritt vom Spieler zum Trainer ist mehr als ein Positionswechsel. Er ist ein Identitätswandel, eine Sinnsuche und oft ein tiefer persönlicher Prozess. Für viele ist das Trainerdasein nicht nur eine neue Rolle, sondern eine zweite Karriere im selben Spiel – mit neuen Anforderungen, neuen Blickwinkeln und nicht selten neuen Zweifeln.
Dieser Wandel mag in der Eishockeywelt alltäglich erscheinen, doch für den Einzelnen ist er alles andere als gewöhnlich. Manche planen diesen Weg schon während der aktiven Zeit, andere stolpern förmlich in die neue Aufgabe – getrieben von Leidenschaft, Neugier oder einfach dem Gefühl, ohne die tägliche Dosis Eishockey nicht leben zu können.
Von der Kabine zum Clipboard – was sich wirklich ändert
Die wohl tiefgreifendste Veränderung ist mentaler Natur. Als Spieler denkt man in Sekunden, reagiert instinktiv, lebt im Moment. Als Trainer muss man planen, beobachten, vorausschauen – und neben dem Spiel auch Charaktere, Emotionen und Gruppendynamiken managen.
Das Verhältnis zur Mannschaft verändert sich grundlegend. Aus Teamkollegen werden plötzlich Schützlinge. Freundschaft weicht Autorität, ohne dabei Vertrauen zu verlieren – ein Balanceakt, der Fingerspitzengefühl verlangt. Nähe kann helfen, birgt aber auch das Risiko, Grenzen zu verwischen.
Auch der Alltag verändert sich radikal. Keine Eiszeiten mehr, keine Kraftkammer – dafür Videositzungen, Matchanalysen und organisatorischer Dauerbetrieb. Viele Ex-Spieler sagen offen: „Ich arbeite jetzt mehr als je zuvor – nur anders.“
Erfahrung allein reicht nicht – aber sie hilft
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Natürlich bringt ein ehemaliger Spieler einen wertvollen Wissensschatz mit: Spielverständnis, Taktikgefühl, Teamgeist. Er kennt die Höhen und Tiefen, den Druck im Playoff-Rennen, die Dynamik in der Kabine. All das ist ein Fundament, auf dem sich aufbauen lässt.
Aber Coaching ist eine eigene Disziplin. Wer glaubt, mit Instinkt allein durchzukommen, wird schnell eines Besseren belehrt. Es geht um Kommunikation, Führung, pädagogisches Gespür. Nicht jeder Starspieler wird automatisch ein Top-Trainer – und manche großartigen Coaches waren auf dem Eis eher Mittelmaß.
Viele erfolgreiche Trainer mit Spielervergangenheit verweisen auf prägende Persönlichkeiten aus ihrer aktiven Zeit. Sie übernehmen Übungen, passen Motivationsansätze an, entwickeln ihre eigene Philosophie. Gleichzeitig müssen sie sich neu einarbeiten: Trainingsplanung, Zusammenarbeit mit Assistenten, Kommunikation mit Management – das alles ist Neuland.
Warum Ex-Profis an die Bande wechseln
Jede Geschichte ist individuell, doch einige Motive tauchen immer wieder auf:
- Etwas zurückgeben: Wer vom Eishockey viel bekommen hat, möchte es weitergeben.
- Offene Rechnungen: Manche wollen als Trainer das erreichen, was ihnen als Spieler verwehrt blieb.
- Die Liebe zum Spiel: Die Leidenschaft brennt weiter – auch ohne Schlittschuhe.
Hinzu kommt: Die meisten Profis beenden ihre aktive Karriere relativ jung. Mit Anfang oder Mitte dreißig steht das Leben noch offen – und Coaching bietet die Möglichkeit, in der Welt zu bleiben, die man liebt.
Neue Generation, neue Herausforderungen
Trotz aller Erfahrung stehen Ex-Spieler im Coaching vor ganz eigenen Hürden. Eine der größten ist der Umgang mit einer neuen Spielergeneration. Junge Profis sind selbstbewusst, vernetzt, zahlenorientiert – wer nur mit Disziplin und alten Anekdoten kommt, wird nicht gehört.
Hinzu kommt der Rollenwechsel: Vom Helden zum Helfer. Als Trainer steht man nicht mehr im Rampenlicht, sondern im Hintergrund – muss loslassen, Vertrauen schenken, andere groß machen.
Und: Der Druck ist immens. Jeder Wechsel, jede Ansprache, jede Entscheidung wird bewertet – oft im Minutentakt.
Eine zweite Identität im selben Spiel
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Was diesen Karrierewechsel so faszinierend macht, ist der Spagat: Man bleibt im Eishockey, aber in völlig neuer Funktion. Man lehrt, was man einst selbst lebte. Man gibt weiter, was einst intuitiv war. Und mit etwas Glück wächst daraus mehr als nur eine neue Rolle – es entsteht eine neue Berufung.
Größen wie Patrick Roy oder Rod Brind’Amour haben vorgemacht, wie aus Leadern auf dem Eis Strategen hinter der Bande werden. Ihr Vermächtnis? Nicht nur Titel und Trophäen – sondern Spieler, die durch sie gewachsen sind.
Für viele ist das Trainerdasein nicht nur Fortsetzung, sondern Vollendung der aktiven Laufbahn. Eine Chance, ein Team zu formen, Werte zu vermitteln und junge Karrieren zu prägen.